Aller Anfang

Wie ein kleiner Buddha saß Niko im Bauch seiner Mutter. Mit Glatzkopf, gekreuzten Beinen und verschränkten Armen vor seiner Brust. In den vergangenen Monaten war er zu einem imposanten Wesen herangewachsen, und langsam wurde es Zeit, diese Höhle zu verlassen. Aber Niko weigerte sich, seinen Körper in die Position zu manövrieren, die ihm und in der Folge auch seiner Mutter die Geburt einfach oder wenigstens einfacher gemacht hätte. Nichts konnte ihn dazu bringen, seinen mächtigen Kopf in Richtung Muttermund zu bewegen, seinen Körper um hundertachtzig Grad nach unten zu drehen. Manchmal sah er ein schwaches Licht durch die Buchdecke der Mutter scheinen, dort, wo seine krummen Beine sich gegen die Bachwand stemmten. Es macht ihn neugierig, das schon, aber es brachte ihn nicht dazu, sich umzudrehen.
Die Vorstellung, ein Kind mit den Beinen voraus auf die Welt bringen zu müssen, machte Nikos Mutter Angst. Sie wusste, dass es nicht mehr allzu lange dauern konnte, bis es soweit war, bis die Fruchtblase platzen und unwiderruflich den Geburtsvorgang einleiten würde.
Die Hebamme tastete den gewaltigen Bauch mit den Fingerspitzen ab, drückte hier und dort kräftig gegen Nikos Höhle und schüttelte den Kopf.

– Nichts, noch immer nicht, sagte sie entmutigt. Es scheint ein ziemlich großer Brocken zu sein. Wenn er sich in den nächsten Wochen nicht dazu entschließt, dann …
Nikos Mutter erhob sich von der Couch.
– Ich habe alles probiert, sagte sie. Sogar mit einer Kerze den Weg nach unten geleuchtet und gehofft, dass Licht könnte es dazu bewegen, sich in die richtige Lage zu bringen.
– In vielen Fällen tut es das auch, sagte die Hebamme. In vielen Fällen. Manchmal entschließen sich die Kinder aber erst in allerletzter Sekunde dazu. Du musst es also weiter versuchen.
Nikos Mutter nickte, und doch hatte sie bereits die Gewissheit, dass es nichts nützen würde, dass ihr Kind sich durch nichts und niemanden dazu bringen lassen werde. Sie stellte einen Topf Wasser auf den Herd.
– Ich mache uns einen Kaffee, sagte sie.
Die Hebamme legte ihr eine Hand auf die Schulter.
– Du darfst nicht verzweifeln.

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